Jede großartige Röstung hat ihre Geschichte – von Leidenschaft, Übung, Disziplin, Experimenten und unzähligen Verkostungen. Diese Elemente werden jedes Jahr bei den Deutschen Kaffeeröstmeisterschaften auf die Probe gestellt, und dieses Jahr war es besonders spannend. Im Februar veranstaltete die SCA Germany die nationale Meisterschaft bei der beeindruckenden PROBAT-Zentrale in Emmerich, Nordrhein-Westfalen. Als Green Coffee Sponsor waren wir stolz, ebenfalls einen Beitrag leisten zu können und den Rohkaffee bereitzustellen: ein gewaschener Arabica der Castillo-Varietät von der Hacienda La Rochela in Trujillo, Valle del Cauca, Kolumbien.
An drei intensiven Tagen mussten die Teilnehmer Rohkaffee bewerten und Röstprofile entwickeln, die das Beste aus den Bohnen herausholen. Die Wettbewerber wurden dann anhand verschiedener Kriterien bewertet: von den Green-Grading Fähigkeiten über nötigen Pre-Roasting Vorbereitung bis hin zur finalen sensorischen Analyse.
In diesem Jahr ging Philip Weller – Mitgründer von Café Marcel und Günter Coffee Roasters in Freiburg – auch wieder als Sieger hervor. Als zweifacher Deutscher Röstmeister (2024 & 2025) bereitet er sich nun darauf vor, Deutschland bei der World Coffee Roasting Championship auf der Specialty Coffee Expo in Houston zu vertreten. Wir haben mit ihm gesprochen, um mehr über seinen Weg, seine Erfahrungen aus den Wettbewerben und seine Vorbereitung für die Weltbühne in Houston zu erfahren.

Während der Röstmeisterschaften.
1. Kannst du uns ein wenig über dich erzählen?
Ich bin Philip Weller und Mitbegründer von Günter Coffee Roasters und unserem Café Marcel in Freiburg. Letzteres haben meine Frau Aurore Ceretta und ich im Jahr 2014 mit dem Wunsch ins Leben gerufen, „modernen" Kaffee nach Freiburg zu bringen. Freiburg ist meine Heimatstadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin. Irgendwann zog es mich nach Berlin, wo ich Aurore und Spezialitätenkaffee kennengelernt habe. Im Jahr 2013 sind wir dann wieder ins schöne Freiburg gezogen.
2. Wie bist du zum Kaffee gekommen? Wann hast du mit dem Rösten angefangen?
Aurore hat während unserer gemeinsamen Zeit in Berlin in einem Café gearbeitet und angefangen, sich für Kaffee zu begeistern – und mich schließlich angesteckt. Latte Art war für uns damals ein großes Thema, genauso wie Light-Roast - oder hell geröstete - Kaffees. Mit dem Wunsch, ein eigenes Café zu betreiben, sind wir zurück nach Freiburg gezogen. Dort haben wir eine lokale Rösterei gefunden, die uns einen Blend nach unserem Geschmack geröstet hat. Ein Jahr später haben wir das Café Marcel gegründet und diese Mischung ausgeschenkt. Schon kurze Zeit später war klar: Wir brauchen eine zweite Mühle für Single-Origin-Kaffees. Diese haben wir damals von Röstereien aus ganz Europa eingekauft und ausgeschenkt. Das war eine tolle Zeit, in der wir unseren Geschmack und unsere Idee von gutem Kaffee geprägt haben. Im Jahr 2018 war es dann an der Zeit für den nächsten Schritt: Aurore, mein Bruder Mats und ich gründeten zusammen die Günter Coffee Roasters.
3. Kannst du uns auch ein bisschen mehr über deine Rösterei, Günter Coffee Roasters, erzählen?
Einer unserer zentralen Werte stand direkt von Anfang an fest: Die Sensorik soll im Mittelpunkt stehen. Beim Rösten waren wir zu Beginn ziemliche Greenhorns, aber fokussiert alle unsere Batches cuppen, das konnten wir. Mit diesem Ansatz wurden unsere Röstungen immer besser, weil wir geschmacklich nachvollziehen konnten, welche Veränderungen der Röstparameter zu welchen Ergebnissen geführt haben. Sieben Jahre später sind wir zwar deutlich erfahrener, aber lernen mit unserem Röstteam immer weiter. Die wöchentliche Verkostung unserer eigenen Röstungen ist zum festen Bestandteil unserer Arbeit geworden und ermöglicht eine stetige Verbesserung unserer Röstungen und somit auch unserer Kaffees.
Für den Start unserer Rösterei haben wir uns für einen 15-kg-Röster von Giesen entschieden. Damit war eigentlich schon klar, dass wir nicht nur eine Tonne pro Jahr rösten wollen. Deshalb hatten wir von Anfang an auch Blends mit im Sortiment, die wir neben den Single-Origin-Kaffees im Ausschank hatten. Unsere sensorischen Vorlieben standen dabei immer im Fokus. Deshalb waren auch unsere Blends vergleichsweise hell geröstet und haben deutlich fruchtig geschmeckt. Mittlerweile haben wir unser Sortiment deutlich erweitert: wir haben jetzt auch kräftige Röstungen, für die wir mit Canephora (aka Robusta) arbeiten. Geschmäcker sind verschieden und wer ein erfolgreiches Unternehmen betreiben möchte, darf nicht nur von sich selbst ausgehen. Trotzdem bleiben wir unserer Linie treu, den fruchtigen Ursprung von Kaffee in unseren Röstungen erlebbar zu machen. Aktuell entwickeln wir eine „Champions Edition", mit der wir unser Portfolio mit ganz speziellen Kaffees erweitern möchten.

Philip und seine Frau Aurore Ceretta, Zweitplatzierte bei der World Cup Tasters Championship 2024
4. Was hat dich dazu bewegt, an Kaffee Wettbewerben teilzunehmen?
Meine Frau Aurore hatte erstmals im Jahr 2017 in Frankreich beim Cuptasters-Wettbewerb mitgemacht und konnte auf Anhieb den vierten Platz erreichen. Sie war in unserem Team ganz klar für die Meisterschaften bestimmt. Deshalb hat es wirklich lange gedauert, bis ich mich auch für einen Wettbewerb angemeldet habe. Die Vorbereitungen auf Meisterschaften sind immer sehr zeitintensiv und jeder, der eigene Kinder und zwei Unternehmen hat weiß, dass Zeit immer Mangelware ist. Irgendwann habe ich aber meinen Mut zusammengenommen und mich für die deutschen Röstmeisterschaften 2022 angemeldet. Und das war wirklich eine gute Entscheidung, nicht nur weil ich jetzt zweimal den Sieg holen konnte, sondern auch, weil ich dabei extrem viel gelernt habe und dadurch ein besserer Röster geworden bin.
5. Du bist nun Deutscher Röstmeister 2024 & 2025 – wie war dein Weg dorthin?
Das schöne an den Röstmeisterschaften ist, dass eine Kombination aus Erfahrung, einer guten Vorbereitung und natürlich auch etwas Glück gefragt ist. Die Erfahrung habe ich, neben meiner täglichen Röstarbeit, bei den Meisterschaften 2022 und 2023 gesammelt. Für den Wettbewerb im Jahr 2023 habe ich mir viel vorgenommen, weshalb ich extrem viel Zeit und Mühe in die Vorbereitung gesteckt habe. Dann kam der große Dämpfer: ich wurde aufgrund eines Fehlers disqualifiziert. Meine Punktewertung war allerdings so gut, dass es für eine sehr gute Platzierung gereicht hätte. Von da an wusste ich, dass es möglich ist, mit meiner Idee vom Rösten diese Meisterhaften zu gewinnen. Im Jahr 2024 war es dann soweit, mein Plan stand und ich habe es geschafft, diesen auch gut umzusetzen. Und mit dem nötigen Quäntchen Glück wurde ich dann auch erstplatzierter.
Dieses Jahr war es wirklich hart, die anderen Teilnehmenden waren wieder sehr stark und viele davon auch schon mehrfach dabei. Außerdem war der von euch gesponserter Rohkaffee, mit dem geröstet wurde, sehr herausfordernd. Ein sehr solider, gewaschener Castillo aus Kolumbien, der nicht sehr viel Spielraum beim Rösten gelassen hat. Der Kaffee hatte ein klassisches Profil mit Nuss- und Schoko-Noten und einer feinen Säure, welche in die zitrische Richtung ging. Ein oder zwei Teilnehmende haben es sogar geschafft, etwas Beeriges herauszuholen, was auch sehr spannend war. Da war es schon klar: das Ergebnis wird sehr nah beieinander liegen und so kam es dann auch: zwischen dem 1. und dem 5. Platz lagen nur 6 Punkte.
6. Wie hast du dich auf die Meisterschaft vorbereitet? Wie hast du deinen Röstplan entwickelt?
Ich bin auf jeden Fall ein Daten-Mensch. Ich versuche aus vergangenen Röstungen anhand der Daten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Viele der in Deutschland teilnehmenden Mitstreiter haben jetzt schon öfter auf den beiden Sponsoren-Maschinen (Probat P5 Gas und Elektro) geröstet. Auch ich habe an den Maschinen geübt und hatte deshalb einen Vorteil, der mir geholfen hat. Bei den Weltmeisterschaften ist die Stronghold S9X die aktuelle Sponsoren-Röstmaschine und Teilnehmende im letzten Jahr hatten definitiv einen Vorteil, wenn sie schon oft auf diesem Gerät geröstet hatten, die Platzierungen waren diesbezüglich eindeutig. Ich schaue mich deshalb gerade vermehrt nach Röstereien in der Umgebung um, die mit der S9X arbeiten, um mich ideal auf die Weltmeisterschaft in Houston vorzubereiten.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist, regelmäßig mit dem offiziellen Cupping-Sheet zu verkosten und dabei so viel wie möglich mit dem Coach zusammenzuarbeiten. So findet man eine gemeinsame „Cupping-Sprache", die zu dem Scoresheet passt. Dadurch, dass Aurore mein Coach ist, ergeben sich dafür glücklicherweise viele Möglichkeiten. Schlussendlich ist es auch sehr wichtig, sich dem Green-Grading zu widmen und viel zu üben.
7. Hattest du eine spezielle Playlist, die dich in der Vorbereitung begleitet hat?
Ich durfte im November 2024 nach Äthiopien fliegen, um mir dort ein Bild des Kaffeeanbaus zu machen. Einer unserer Partner vor Ort hat uns Songs von äthiopischen Künstlern vorgestellt und diese Playlist lief bei mir in letzter Zeit hoch und runter.
Philip während seiner Reise nach Äthiopien.
8. Was war während des Wettbewerbs für dich die größte Herausforderung, und was hat dir am meisten Spaß gemacht?
Über den langen Zeitraum der Competition konzentriert zu bleiben, ist eine große Herausforderung. Die Meisterschaft besteht ja aus mehreren Aufgaben: Green Grading, Samplerösten, Dummyrösten, Cupping, Röstplan ausfüllen und dann die Produktionsröstung machen. Das ganze geht dann insgesamt drei Tage und erfordert viel Energie. Das schöne an dem ausgedehnten Wettbewerb ist aber, dass auch Zeit übrig bleibt, um sich mit den anderen Teilnehmenden und Coaches auszutauschen und Spaß zu haben.
9. Wie fühlt es sich an, nun schon zum zweiten Mal den ersten Platz belegt zu haben und Deutschland in Houston zu vertreten?
Das ist absolut wahnsinnig! Ich glaube auch, dass ich das erst realisiere, wenn ich in Houston auf der Coffee Expo ankomme. Die letzte Weltmeisterschaft in Kopenhagen war eine super Erfahrung. Deshalb bin ich sehr dankbar und glücklich, noch einmal an einer Weltmeisterschaft teilnehmen zu dürfen und die anderen Champions kennenzulernen.
10. Gibt es große Unterschiede zwischen der Struktur der Deutschen Meisterschaften und der Weltmeisterschaft?
Die Aufgaben bei den Weltmeisterschaften sind etwas anders. Bei der deutschen Meisterschaft rösten wir einen Single-Origin-Kaffee, bei den Weltmeisterschaften kommt noch ein Blend aus drei Kaffees hinzu. Dafür entfällt das Green-Grading.
Außerdem sind dort über 25 Teilnehmende, in Deutschland sind es 14. Das ändert auf jeden Fall den Ablauf und macht es komplizierter, alle Infos zu bekommen. Außerdem sind die deutschen Meisterschaften meist ohne Zuschauende, die Meisterschaften in Houston finden auf einer großen Kaffeemesse, der Specialty Coffee Expo statt.
11. Wie bereitest du dich auf die Weltmeisterschaft in Houston vor?
Ich versuche so viel wie möglich auf einem Stronghold S9X zu rösten, das ist leider gar nicht so einfach, denn es gibt kaum Maschinen in Deutschland. Ich habe aber das Glück von euch unterstützt zu werden und konnte neulich in Hamburg ein erstes Training machen. Mit einem Rohkaffee von euch bin ich zu Cüneyt von Antagonist Coffee in Hamburg gefahren und durfte dort zum wiederholten Male an deren Maschine trainieren. Das ist so wichtig, denn der Röster funktioniert ein ganzes Stück anders als unser Giesen W15. Für die Vorbereitung cuppe ich außerdem oft mit Aurore auf Basis des Wettbewerbs-Score-Sheets und auch mental bereite ich mich auf die Situation vor Ort auf der Expo vor. Mir persönlich hilft es sehr, die Abläufe vor Ort immer wieder gedanklich durchzugehen, um nichts zu vergessen und vor Ort dann voll konzentriert zu sein.
12. Gibt es jemanden, dem du während dieser Zeit besonders dankbar bist?
Da gibt es wirklich viele, denn so eine Meisterschaftsteilnahme ist ohne Unterstützung praktisch unmöglich. Natürlich bin ich Aurore dankbar, dass sie mit mir die ganze Vorbereitung macht und außerdem unserem Team in der Rösterei und im Café, das uns den Spielraum lässt und einen super Job macht. Sehr glücklich bin ich auch mit unserem deutschen SCA-Chapter: Das Team hilft mir bei Fragen immer weiter und unterstützt mich, wo es nur geht. Außerdem habe ich ein paar Sponsoren gewonnen, die mich finanziell unterstützen, denn die Vorbereitungen und die Competition an sich sind mit den Reisekosten sehr teuer. Auch List + Beisler hat 500 € als Preisgeld für die Reisekosten beigesteuert – vielen Dank dafür!
13. Welchen Rat würdest du jemandem geben, der überlegt, an Kaffeewettbewerben teilzunehmen?
Ich glaube, jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer lernt bei Kaffeewettbewerben eine Menge dazu. Man beschäftigt sich mit einer Sache sehr intensiv und am Ende ist man eine besserer Röster, besserer Barista oder besserer Cupper. Es gibt also kaum einen Grund, nicht mitzumachen. Ja, es bedarf ein bisschen Mut, aber man bereut es nicht, auch wenn es vielleicht nicht gleich mit einer guten Platzierung klappt. Und wenn du dich angemeldet hast, zuallererst die Regeln lesen und Youtube-Videos von anderen Kaffeemeisterschaften anschauen! ;-)

Philip, Nicole, Katharina und Moritz letztes Jahr während eines Besuchs im L+B Cupping Studio in Hamburg.
Vielen Dank an Philip, dass er sich die Zeit für das Gespräch mit uns genommen hat. Wir drücken ihm ganz fest die Daumen für Houston!
Fotos: Philip Weller
Interview von: Gisselle Guerra